Sowjetische Fotografie der 1920er-/1930er-Jahre
Von Piktorialismus und Modernismus zum Sozialistischen Realismus
12. September – 20. Oktober 2002
Sowjetische Fotografie der 1920er-/1930er-Jahre
Von Piktorialismus und Modernismus zum Sozialistischen Realismus
Die Revolution des Jahres 1917 veränderte den Lauf der russischen Geschichte und auch die Entwicklung der russischen Fotografie, die sich bislang parallel zur westeuropäischen Moderne entwickelt hatte.
Nun war es an den Künstlern, sich aktiv beim Aufbau der neuen sozialistischen Gesellschaft zu engagieren. Die Überzeugung, dies mit den Mitteln der Kunst bewerkstelligen zu können, verlieh den Künstlern unbändige Kraft und Dynamik. Die 280 Fotografien von 10 Fotografen in dieser Schau sind Meisterwerke der Sowjetischen Fotografie der 1920er- und 1930er- Jahre.
In einem Land mit einer Analphabetenrate von 70 % kam der Fotografie als Propaganda-Instrument ganz besondere Bedeutung zu. Die Konzentration auf die sichtbare Außenwelt spiegelt sich in der Themenwahl: Industrialisierung, Sport und städtisches Leben wurden zur Methaper einer neuen Wirklichkeit. In keiner anderen Epoche der russischen Geschichte vermochte die Kunst so radikalen Einfluss auf das alltägliche Leben zu nehmen.
Alexander Rodtschenko, innovativer und vielseitiger Künstler der russischen Moderne, widmete sich ab 1927 ausschließlich der Fotografie. Er gilt als Wegbereiter des "Neuen Sehens“ und beeindruckte durch kühnste Perspektiven und große Experimentierfreudigkeit. Was die Sowjetische Fotografie der 1920er- und 1930er-Jahre im allgemeinen auszeichnet, ist, dass die Fotografen „Meister der Fotokunst“ waren, sich kreativ und professionell mit den unterschiedlichsten Entwicklungsstadien der Fotografie beschäftigten.
Mit der Proklamation des Sozialistischen Realismus zur einzigen verbindlichen Kunstform im Jahr 1934 wurde der große schöpferische Reichtum der sowjetischen Avantgarde in eine neue Richtung gelenkt. Das stalinistische System ersetzte Ästhetik durch Ideologie. Die Fotografen gingen ganz unterschiedlich mit der politischen Situation um: Viele wandten sich der Fotoreportage zu. Jeremin machte im Geheimen Abzüge seiner piktorialistischen Aufnahmen, Penson litt im Exil in Taschkent, Grinberg wurde unter dem Vorwand, "Pornografie zu verbreiten“, in ein Arbeitslager gesperrt. Chlebnikow wählte die innere Emigration.
Die Originalfotografien (Silbergelatine, Fotogramme) stammen zum Großteil aus dem Haus der Fotografie in Moskau. Diese Schau ist Austausch-Ausstellung zu den "Blickfängen einer Reise nach Wien. Fotografien (1860-1910) aus den Sammlungen des Historischen Museums der Stadt Wien“, mit der im Frühjahr 2001 die neuen Räumlichkeiten des Hauses der Fotografie in Moskau eröffnet wurden.