Nestroy
„Die Welt steht auf kein Fall mehr lang"
6. Dezember 2001 – 27. Januar 2002
Nestroy
„Die Welt steht auf kein Fall mehr lang"
Zwei Tage vor Nestroys 200. Geburtstag, am 5. Dezember 2001 wird im Historischen Museum der Stadt Wien unter dem Titel "Die Welt steht auf kein Fall mehr lang" eine Ausstellung eröffnet werden, die das Wichtigste, das von Nestroy erhalten geblieben ist, ins Zentrum stellt: das dichterische Werk. Die Wiener Stadt- und Landesbibliothek, deren Direktor Walter Obermaier für die inhaltliche Konzeption der Ausstellung verantwortlich ist, verwahrt nahezu den gesamten handschriftlichen Nachlass des Dichters und wird erstmals diese Schätze für kurze Zeit (bis 27. Jänner 2002) der Öffentlichkeit präsentieren.
Johann Nestroy (1801-1862) hatte seine Bühnenlaufbahn 1822 als Sänger an der Wiener Hofoper begonnen, wechselte in seinen Wanderjahren, die ihn über Amsterdam, Brünn, Graz und Preßburg ans Theater an der Wien und schließlich ans Carltheater führten, nach und nach ins Sprechfach und schließlich in die Darstellung komischer Rollen. Früh hatte er sich zudem erste schriftstellerische Lorbeeren verdient. Zwischen 1827 und 1862 schrieb er an die 80 Theaterstücke, von denen "Der böse Geist Lumpacivagabundus" (1833), "Zu ebener Erde und erster Stock" (1835), "Der Talisman" (1840), "Einen Jux will er sich machen" (1842), "Der Zerrissene" (1844), und "Freiheit in Krähwinkel" (1848) bis heute am bekanntesten gebliebenen sind.
Nestroy wollte mit seinen Stücken nicht nur unterhalten. Worauf es ihm vor allem ankam (und was sein Werk bis heute lebendig erhält) war, der Umwelt einen satirischen Spiegel vorzuhalten, menschliche Verhaltensweisen und Schwächen, politische Mechanismen und gesellschaftliche Konventionen im Gewand der Posse durch Lachen zu entlarven. Und er benützte dafür virtuos die Möglichkeiten der Sprache durch den spielerischen und pointierten Umgang mit dem Wort. Nestroys Werk soll daher nicht zuletzt über das Wort mit Zitaten, Lesungen und vielerlei Hinweisen dem Besucher nahe gebracht werden.
Der Blick auf die Handschriften zu allen Stücken (soweit sie erhalten sind), soll weniger die "Aura" des Dichters vermitteln, als seine Arbeitsweise und die Fülle der Überlieferungsträger: Skizzen, Vorarbeiten, Reinschriften, Theaterhandschriften, Rollenhefte und Partituren. Diese in jeder Bedeutung des Wortes kostbaren Originale, die in dieser Fülle noch nie zu sehen waren und schon aus konservatorischen Rücksichten auf lange Sicht nicht mehr gezeigt werden können, bilden das Herzstück der Schau. Darum herum werden zeitgenössische Bilder und Dokumente ein Bild von Nestroys Leben und seiner theatralischen Wirksamkeit vermitteln. Man wird Einblick in die Entstehung eines Stückes bekommen und auch die Schaffensbedingungen näher kennen lernen, vor allem auch den Umgang mit der Zensur, die peinlich darauf achtete, dass auf der Bühne kein politisch, religiös, sozial oder sittlich bedenkliches Wort fiel. Die Revolution des Jahres 1848 bereitete ihr ein - allerdings nur kurzfristiges - Ende. Selbstverständlich wird auch der Rolle der Musik in Nestroys Possen gedacht und des Einzugs von Jacques Offenbachs Werk auf Nestroys Bühne, wodurch die neue Form der Operette wesentliche Impulse erhielt. Und nicht zuletzt kann man Dinge aus Nestroys Alltag sehen: Möbel, Schlafrock, Schreibzeug, Taschenuhr, Lampe und Lorbeerkranz.
"Die Welt steht auf kein Fall mehr lang" - Nestroy meint ganz konkret seine Welt, wenn er Knieriem im "Kometenlied" den nahen Untergang konstatieren lässt. Beim genauen Blick auf Nestroys Sprache, auf das Verhalten seiner Figuren, auf seine Skepsis, spürt man aber auch sein resignatives Wissen, dass diese Welt und ihre Menschen eine gerütteltes Maß an Mangelhaftigkeit wohl immer mit sich tragen werden.