• Luisa Kasalicky

    Einmal, die Seite gespiegelt

    19. Dezember 2008 – 15. Januar 2009

    Luisa Kasalicky

    Einmal, die Seite gespiegelt

    19. Dezember 2008 – 15. Januar 2009
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    1010 Wien, Felderstraße 6–8
    1010 Wien, Felderstraße 6–8

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    Wir werden in die Malerei von Luisa Kasalicky durch ihre räumliche Intensität förmlich hineingezogen, selbst zu ProtagonistInnen eines künstlerischen Settings. Malerei funktioniert heute nicht mehr als Repräsentationsort, sondern als Erfahrungsraum, wie wir in der Ausstellung „Einmal, die Seite gespiegelt“ von Luisa Kasalicky hautnah erleben. Die Mal-Installationen von Luisa Kasalicky gestalten sich nicht nur aufgrund ihrer unmittelbar in die Situation vor Ort und Realität eingreifenden Konzeptionen, durch den Einsatz von industriell anonym produzierten Baumaterialien, das Einbeziehen oder Konterkarieren architektonischer Strukturen und den dadurch entstehenden räumlich inszenierten Situationen involvierend. Als eine Methode ihrer Malerei entwickelt Luisa Kasalicky das Prinzip modularer Strukturen in Verwendung von Polystyropor, Bitumenplatten oder PVC-Fliesen, um aus dem Prozess des direkten Farbauftrages herauszutreten. In ihren spezifischen Anordnungen und farblichen Relationen changieren die Formationen zwischen kontrollierter Gestaltung und einer Kontingenz von Materialien, die gewöhnlich nicht als integraler Bestandteil eines malerischen Prozesses gelten. In der Manier einer Ready Made Version der Shaped Canvas, wie sie in früheren Werken von Luisa Kasalicky auftauchen, fügen sie sich aneinander. Versatzstücke von Materialien unserer Konsumkultur, die sie als Restposten auf Baumärkten auftreibt, Spannteppiche in hellblau, weiße Fliesen und Retrodesign der 1970er oder 1980er Jahre, Materialien, deren Oberflächenstruktur sie mit der Bildtextur von Malern der Popart in Zusammenhang bringt, finden sich in Luisa Kasalickys Repertoire. Materielle Bedingungen der Malerei, wie Bildträger, Pigmente oder Pinsel, Bildgröße oder Malverfahren fallen durch den Einsatz von Industriematerialien weg. Der für Luisa Kasalickys Malerei der letzten zwei Jahre typische Mix aus unterschiedlichen Baumaterialien und vorgefertigten Dekorartikeln wird collageartig aus der Fläche heraus kompakt geschichtet, montiert, gelegt oder gehängt, darüber, darunter und daneben. Ein quer durch den Raum gelegter hellblauer Spannteppich lappt sich an seinen Rändern, wirkt wie die Reminiszenz eines Slapsticks. Anders als Jessica Stockholder oder Rachel Harrison in ihren raumbezogenen Installationen, die wie Malerei wirken, legt Luisa Kasalicky sichtbare inszenatorische Fallen, die mit räumlichen Strukturen brechen. Es entstehen Malerei-Installationen, die sich durchaus einer prekären Balance aussetzen, einen Zustand des Überlaufens in räumliche Strukturen vermitteln und durch das Einbeziehen raumkonstruierender Elemente wie Säulen in den Ausstellungsraum geradezu hineinschwappen. Die Materialauswahl folgt dem malerischen Zusammenspiel der Farben, minimale Eingriffe werden durch das Lackieren einzelner Oberflächen gesetzt. Während des Produktionsprozesses entwickeln sich spezifische Dynamiken, welche geometrische und farbige Strukturen, Grundformen, Horizontale, Vertikale, Diagonale, Welle, Kurve oder Raster aufgreifen. Einerseits berührt die Formensprache aktuelle Rekurse in der Auseinandersetzung mit Bildsprachen der Moderne, andererseits wendet sich Luisa Kasalickys Malerei gegen Neoformalismen, indem sie gleichzeitig deren Beschränkungen mitreflektiert und entgrenzt. Es ist eine Malerei, die trotz postkonzeptueller Stringenz Lust bereitet und die den Übergang zwischen Zwei- und Dreidimensionalität, das Heraustreten aus der Fläche markiert. Dabei entsteht ein Spannungsfeld unterschiedlicher malerischer „Zustände“, die in Relationen zueinander treten. Ein Farbspektrum, das von Rosa über Hellblau, Türkisgrün bis Schwarz reicht, wird durchdekliniert. Es ist ein eigener, eigenwilliger Farbgebrauch, der aus der Wahl zunächst unästhetisch wirkender Materialien resultiert. Einige der verwendeten Materialien bilden eine Synthese, während andere in ihrer Vereinzelung verhaftet bleiben. Das Umschlagen von einem Moment zum nächsten setzt Bewegungsimpulse frei. In einer geschickten Drehung löst sich die Mal-Installation aus der Fläche, aus einer linearperspektivischen Blickordnung und damit in Zusammenhang stehenden Blickregimen. Luisa Kasalicky wendet sich infolgedessen gegen ästhetische Regime der Künste, die den Malereibegriff dem Tafelbild, sowie Pinsel und Leinwand  zuordnen. Die Bildräumlichkeit dringt in den Realraum vor und löst sich so von jedem Illusionismus. Bereits Frank Stella und Robert Ryman verfochten ein malerisches Denken, dessen Wahrnehmungswirklichkeiten vor allem auf der Farbe und auf einer vielschichtigen, sichtbar aufgetragenen materiellen Farbschicht lag. Was in dieser Sichtbarkeit der Farbe zu sehen ist, ist allerdings nicht die materielle Oberfläche oder ein illusionär pikturaler Raum, sondern eine phänomenale Wirklichkeit der Wahrnehmung. Doch anders als die „non-relational paintings“ der analytischen, strukturellen Malerei vermeidet Luisa Kasalicky kompositorische Elemente nicht prinzipiell, sondern setzt diese wiederum in Relation zu modularen, seriellen Formen und Gitterstrukturen. Außerdem findet sie Variationen der Farbgebung, die sich aus einem manuellen Farbauftrag lösen. Einem schnell konsumierbaren expressiven oder gestischen Gehalt der Malerei werden neue Bereiche sensueller Differenzierungen entgegen gestellt. Der Annahme, die installative Kunst wäre aufgrund ihrer postmodernen Implikationen gegen das Autonomieprogramm der Moderne, stellt sich durch die Malerei-Installationen von Luisa Kasalicky eine neue Sicht der ästhetischen Erfahrung gegenüber. Statt gefestigter Subjekt-Objekt-Relationen werden neue ebenso variierbare wie offene Strukturen produziert. Insofern lässt sich hier mit Immanuel Kant argumentieren, von dem ausgehend die Autonomie der Kunst in deren Erfahrung liegt. Eine erfahrungsästhetische Autonomie schafft einen bedeutungsoffenen Spielraum. Wie Juliane Rebentisch in ihrer Publikation „Ästhetik der Installation“ (2003) thematisiert, wird durch minimalistische Eingriffe, die Sensibilität darauf gelenkt, wie eine supplementäre Verschiebung zwischen Dargestellten und Darstellenden eintritt. Theatralität wird als ein Strukturmerkmal ausgewiesen, indem Luisa Kasalicky die einzelnen Elemente wie in einer Inszenierung in Beziehung zueinander treten lässt. Während Luisa Kasalicky in ihren  modularen Mal-Installationen häufig von abstrakten, geometrischen Elementen und reduktiven Strukturen ausgeht, aktiviert sie in ihrer Ausstellung "Einmal, die Seite gespiegelt" auch eine Hinterfragung dessen, welche Rolle die intuitive, subjektive Syntax im Malereidiskurs heute spielt, lässt durch zwei Tafelbilder malerische Gesten eines neoexpressiven Pinselduktus einfließen. Sinneseindrücke und Zwischenstadien von malerischer Bewegung und Stillstand lassen sich fokussieren und herausfiltern, wahrnehmen, sortieren, benennen und mentale Zustände in Titel wie „einmal“ oder „während dessen“ fassen. Zugleich ist die Malerei selbst  als formbares Material ein zentraler Topos. Die Farbsensation tritt aus der grauen Fläche – es ist ein farbiges Grau.  Malerei wird hier im deleuzischen Sinn zu einem Vorgehen, das wegräumt und das umarbeitet, was bereits auf der Leinwand vorgefunden wird. Charakteristisch für Bilder wie „wallis“ (2008) oder „colorado“ (2008) ist ein lockerer Pinselstrich auf durchscheinendem Grau und zarten Pastellflächen. Das leichte Entrücken der Landschaftsszenarien durch ihre intensive grelle Farbigkeit im Wechselspiel mit spröden und grauen Nuancierungen stößt bereits in diesen Tafelbildern die Malerei aus ihrer Bildhaftigkeit. Ein indexikalischer Charakter, wie wir ihn ansonsten vom Bewegungsbild kennen, fließt durch die malerische Spur ein. Der Gestaltungsprozess selbst bleibt sichtbar, dringt durch die Schichten. Malerei als eines der frühesten Medien der Information, gerät hier auf ihren Prüfstand, welches sie von ihrem Ruf als Flachware rehabilitiert. Die konzeptuelle Akribie der Präsentation liegt in der Offenlegung der Genres, indem die Kohärenz der Malerei durchbrochen und gleichzeitig dem Betrachter Raum für seine eigenen Blickkonstruktionen geboten wird. Einer autoreflexiven Malerei wird hier eine situationsreflexive Malerei gegenübergestellt. Ein entscheidender Aspekt für Luisa Kasalickys Malbegriff ist neben einer offenen Auffassung des Kunstwerks eine kritische Analyse der Funktionsweise des Mediums Malerei. Die Spannung zwischen Figuration und Abstraktion und das Verhältnis von malerischer Oberflächenbehandlung, sowie der Bezug zu einem klassischen Sujet wie der Landschaft erfährt nicht nur durch die Farbkonstellationen und das räumliche Gefüge der Farbe eine Atmosphäre, die mit Darstellungskonventionen bricht. Immer bleibt die Darstellung energisch in ihrer horizontalen wie vertikalen Bewegung, Dehnung, Öffnung und Wiedergewinnung eines Sujets, das zu den privilegiertesten und gleichzeitig am meisten missbrauchten Genres des künstlerischen Ausdrucks zählt. Mitberücksichtigt werden dabei die Tücken des Sublimen, dessen Konstruktion immer auch eine Begrenztheit transportiert. Wie lassen sich durch räumliche und phänomenologische Referenzen oder Interferenzen, sowie in der Verschränkung von kunsthistorischen und alltäglichen Bezügen malerische Formen finden, die sich von Rhetoriken und dem Mythos der malerischen Geste freispielen? Das Kurzschließen von „Vordergrund der Ausstellungssituation“ zum „Hintergrund der malerischen Produktion“ setzt an der Schnittstelle von Raumerfahrung und Bildwahrnehmung an. Weggeklappt und aufgefaltet - den Bildobjekten haftet etwas Derangiertes und Anarchisches an. Wie die Fotomontage auf dem Ausstellungsfolder zeigt, gestalten die malerisch eingesetzten Elemente das real Existierende durchlässig. Insofern reflektiert Luisa Kasalicky in ihrer Malerei sozialästhetische Programme der Lebensraumgestaltung bereits mit. Gleichzeitig gerät hier der Diskurs über Diskrepanzen neoliberaler Verhältnisse, Creative Industries und künstlerische Vermarktungsstrategien ins Spiel. Der von Luisa Kasalicky erweitert angewandte Malereibegriff wirkt insofern klärend gegenüber spezifischen hermetischen Strukturen des Kunstfeldes und reflexiv darin, das Malerei nicht bloß medienspezifisch funktioniert. Ursula Maria Probst

     

     

    Kurzbiographie
    Luisa Kasalicky geboren 1974 in Prag, lebt in Wien / 1996–1998 Glasfachschule Kramsach, Tirol / 1998–2004 Malerei und Grafik, Klasse Gunther Damisch, Akademie der bildenden Künste Wien / Diplom / 2006 Mitbegründerin von „Swingr – raumaufzeit“, Wien

    Ausstellungen/Preise/Stipendien (Auswahl)
    2008 DELAY TACTICS OF SECOND RATE QUALITY, Austrian Cultural Forum, London / IF YOU LIKE PLATIN; LOVE SCENES ON A SCREEN, Kunstraum Fenster C, Wien / LOSSLESS COMPRESSION, mit Manuel Knapp, Swingr – raumaufzeit, Wien / FAISTAUER PREIS, Galerie im Traklhaus, Salzburg / 2007 HIDDEN TRACK, Boltenstern.Raum, Galerie Meyer Kainer, Wien / IN THE SHAPES OF EVERYTHING SWEET, Projektraum Kunstraum Innsbruck / OCEAN RANCH, Devening projects + Editions, Chicago / REDUCE TO THE MAXIMUM, mit Manuel Knapp, Kunstraum dreizehnzwei, Wien / 2006 ERZÄHLUNGEN -35 / 65+, Kunsthaus Graz / EXTENSION TURN 2, Eastlink Gallery, Shanghai / IMMER AN DER WAND LANG IST TODSICHER, Swingr – raumaufzeit / 2005 KRAKATIT 1020, mit Christoph Holzeis, Black Dragon Society, Wien / Preise, Stipendien 2008 Atelierstipendium des Bundes / 2007 T-mobile Atelierstipendium / 2006 Theodor-Körner-Preis

     

    Kontakt:

    kasalicky@gmx.at | www.kasalicky.com

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