• Brutale Neugier

    Walter Henisch – Kriegsfotograf und Bildreporter

    30. Oktober 2003 – 6. Januar 2004

    Brutale Neugier

    Walter Henisch – Kriegsfotograf und Bildreporter

    30. Oktober 2003 – 6. Januar 2004
    Archiv
  • "Brutale Neugier" bezeichnet eine Eigenschaft, die für einen Kriegsberichterstatter und Pressefotografen unabdingbar ist, so zumindest Walter Henisch in einem Gespräch mit seinem Sohn. "Wenn ich vor einem brennenden Haus stehe und ich sehe, wie die Leute aus den Fenstern springen, so wird mir das ALS MENSCH furchtbar leid tun. ALS FOTOGRAF aber wird es mir ein Motiv sein, und ich werde, den Finger am Auslöser, davorstehen, -knien oder -liegen und lauern. Und mein Fotografengehirn wird nichts anderes im Sinn haben, als die genaue Entfernung, die richtige Belichtungszeit und die entsprechende Blende." 

    Walter Henisch war der Prototyp eines Bild-Jägers und Foto-Schützen. Im 1975 erstmals erschienenen Roman "Die kleine Figur meines Vaters" setzt sich der Schriftsteller Peter Henisch mit Leben, Werk und Widersprüchlichkeiten seines Vaters auseinander: "Ich habe den Krieg, sagte die Tonbandstimme meines Vaters, vom Anfang bis zum Ende als eine Folge von Bildern gesehen."

     

    Walter Henisch war ein erfolgreicher Pressefotograf, der in unterschiedlichen politischen Systemen die "richtigen" Bilder liefern konnte, betrachtete er doch die Welt, ob in der NS-Zeit oder im Nachkriegs-Österreich, stets ausschließlich vom "fotografischen Standpunkt" aus. Die von Walter Henisch hinterlassenen Alben und Fotostöße - viele sind erst in den letzten Jahren wieder aufgetaucht - sowie der Henisch-Bestand im Fotoarchiv der ehemaligen Arbeiter-Zeitung sind Grundlage einer Ausstellung, die sich mit der Frage befasst, wie propagandistische Medienbilder entstehen und wie professionelle Bildreporter ihr Metier definieren. 

    Als Kriegsberichterstatter in einer Propaganda-Kompanie der Deutschen Wehrmacht machte sich Walter Henisch (1913-1975) erstmals einen Namen. Vor allem seine Aufnahmen vom Russlandfeldzug und vom Balkankrieg fanden weite Verbreitung in der Presse der NS-Zeit. Nach 1945 bekam er zunächst von kommunistischen Zeitungen Aufträge, bis er als Fotoreporter in den Dienst der Arbeiter-Zeitung trat und die Wiederaufbaujahre fotografisch begleitete. Aber: "Das permanente Abenteuer, als das er seinen Beruf in der Nachkriegszeit noch mit einer gewissen Berechtigung interpretiert hatte, war keines mehr" (Peter Henisch).

     

    Als Kind gerät Peter Henisch in den Sog der Bilder und Geschichten seines Vaters. Als 30jähriger, kurz vor dem Tod von Walter Henisch, lässt er sich dessen Lebensgeschichte erzählen und schreibt "Die kleine Figur meines Vaters". Um diesen Dialog geht es in der Ausstellung: Walter Henisch kommt durch die Fotos zu Wort, aber ebenso in seiner Selbstdarstellung, gefiltert durch die literarische Sicht des Sohnes. 

    2003 ist eine Neuausgabe des Romans "Die kleine Figur meines Vaters" von Peter Henisch erschienen.


    Ausstellungsteam:
    Christian Stadelmann Regina Wonisch (Konzept und Organisation)
    Bernhard Denkinger (Ausstellungsgestaltung)
    Susanne Winkler (Kuratorin, Wien Museum)

    DER TÄGLICHE KRIEG
    WIE KRIEGSFOTOS FÜR ZEITUNGEN SELEKTIERT WERDEN
    Diskussionsveranstaltung im Rahmen der Ausstellung
    Mittwoch, 26. November 2003, 19.00 Uhr
    TeilnehmerInnen: Regina Anzenberger (Anzenberger - Agentur für Fotografen)
    Bernd Boll (Historiker - Spezialist für Propagandafotografie)
    Anton Holzer (Kulturwissenschaftler)
    Erhard Stackl (Der Standard - Chef vom Dienst)
    Moderation: Michael Freund (Der Standard)

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